Natur Pur gegen das Bienen-Sterben

Bienen-Sterben die Tiere beim AnflugDie Zeitungen berichteten: Das große Bienen-Sterben geht weiter. 50 Prozent aller Honigbienenvölker hätten schweizweit den Winter nicht überlebt. Hauptverantwortlich dafür sei die Varroa-Milbe. Die Bienen kämpfen heute auch in Deutschland und Österreich ums nackte Überleben. Die Gründe dafür liegen u. a. in der intensiven Landwirtschaft, bei der nur der Profit zählt. Gast-Autor Benedikt Pestalozzi sprach mit Experten darüber, wie das Massensterben zu verhindern sei. Das stimme schon, sagt Roland Peyer, Bieneninspektor der Sektion Dietikon im Kanton Zürich am Telefon. Ich rufe ihn an, um den Kontakt zu Andreas Berger zu erhalten, einem Imker aus der Region, den ich zum Thema befragen möchte. Was denn er, Peyer, davon halte.

Peyer sucht seine Worte. Es sei schon so, die Varroa-Milbe ist sehr verbreitet. Er müsse jedoch festhalten, dass die Gesundheit der Bienenvölker regional sehr unterschiedlich sei. Er selbst hat bei seinem Stand in Dietikon von 18 Völkern ein einziges verloren. In seinem anderen Stand in Bergdietikon überlebten von den 18 Völkern sechs den Winter nicht. Die Verlustquote 50% ist weit entfernt. Der Kanton Zürich ist weniger betroffen als andere Kantone.

Andreas Berger bin ich vor knapp vier Wochen bei seinem Bienenhaus neben einem Bauernhof am Stadtrand von Dietikon begegnet. Auf einem Tischchen vor dem Bienenhaus lag ein Wabenstück. Neugierig näherte ich mich dem Wachgewebe, das normalerweise zur Wohnung im Bienenkasten gehört. In einzelnen Zellen stecken Larven von männlichen Bienen, bei anderen knabbern sich die schon entwickelten Drohnen durch die wächserne Deckschicht der Zellen. Einige Vögel aus der Hecke nebenan picken sie genüsslich auf, für sie ein Festessen.

Berger erklärt: Männliche Bienen verharren länger im Larvenstadium. Wenn alle Arbeiterinnen geschlüpft sind, bleiben nur noch die Larven der Drohnen. Werden deren Larven von den Vögeln aufgepickt, verringert sich der Varroa-Befall, weil die schädliche Milbe sich in den Maden einnistet. Auf die Drohnen kann ein Bienenvolk gut verzichten. Ebenso auf die Varroa-Milbe, deren Bekämpfung viel Energie kostet und bis zum Tod des Volkes führen kann.Bienen-Sterben der Imker bei der Arbeit

Auf die gute Pflege der Bienen kommt es an

Von Bergers 16 Bienenvölker war nur eines derart betroffen, dass es den Winter nicht überlebte. Er könne nicht klagen. Im Gegenteil. Gerade sei der erste Honig erntereif. Ob ich mal einen Wabenrahmen halten wolle? Satt und überschwer liegt er mir in der Hand. Wie ein süßer, klebriger Goldbarren. Wie passt es zusammen, dass Berger nach dem Rekordjahr 2011 einem weiteren guten Bienenjahr entgegenblicken kann, während die Hochrechnung einer Umfrage des VDRB (Vereins Deutschschweizerischer und Rätoromanischer Bienenfreunde) bei 955 Imker einen Verlust von 100.000 Bienenvölker im Winter 2011/2012 ergab?

Dazu hat Roland Peyer einiges zu sagen. Er hat ins Thema  gefunden. Er spricht von der komplexen Vernetzung der Bienen und ihrer Umwelt, von den vielen Faktoren, die die Gesundheit der Bienen beeinflussen. Seuchen und Krankheiten traten schon immer auf: Sauerbrut, Faulbrut, Trachee-Milbe, heute ist die Varroa der tödliche Bienenfeind. Würden die Bienen gut gepflegt, wären sie jedoch stark genug, um diese abzuwehren.

Bienen „möglichst gut behandeln“

Verantwortlich für die Pflege ist jedoch allein der oder die Imkerin. Bei intensiver Bienenhaltung steigt die Sterblichkeit: Je grösser die Anzahl Völker pro Stand, desto höher das Infektionsrisiko. Eine zu grosse Behandlung mit Gegenmitteln verringert die Resistenz der Bienen und erhöht die der Schädlinge. Allzu häufiges Reinigen der Stöcke mindert die Resistenz der Bienen. Diese Zusammenhänge würden den heutigen Imkern nicht vermittelt, kritisiert Peyer.

„Schnellbleiche“ nennt er heutige Anfängerkurse, die sich großem Zulauf erfreuen. Dort könne viel Grundwissen erworben werden, aber ein guter Imker brauche Erfahrung. Und Erfahrung entsteht in der Praxis. Und Erfahrung braucht seine Zeit. Zeit zum Beobachten: Wie verhalten sich Bienen bei unterschiedlicher Witterung, wie in verschiedenen Jahreszeiten, bei verschiedenem Blütenangebot. Aber diese Zeit werde heute nicht mehr investiert. Schnell muss es gehen und die Bienen müssen möglichst gut behandelt werden, mit Ameisensäure und Thymol, mit gründlicher Stockreinigung und schneller Auffütterung. All das mache die Bienen anfälliger für Seuchen und Krankheiten.

Nicht der Profit ist das Ziel

Peyer will die Schuld aber nicht nur den Imkern in die Schuhe schieben. Auch die intensive Nutzung der übrigen Landwirtschaft beeinträchtige die Gesundheit der Bienen. Schon das Güllen der Wiesen vermindert das Blütenangebot beträchtlich. Zudem werden Wachstumsförderer eingesetzt, um die Ernte verschiedener Feldfrüchte zu optimieren. Diese sind im Honig nachweisbar. Aber die Bauern interessieren sich dafür herzlich wenig. Schließlich geht es um ihr Geld. Ähnliche Mechanismen würden in der Viehhaltung ersichtlich: Wie alt eine Kuh werde, fragt er mich. Und gibt die Antwort: 15 Jahre. 15 Jahre alt wurde eine Kuh vor 20 Jahren und gab damals 10-15 Liter Milch pro Tag. Heute produzieren Kühe dank Kraftfutter und Hochzüchtung ein Vielfaches. Dafür ist sie nach sechs Jahren ausgepumpt. Ausgemelkt. Abgelebt. Und wird abgetan. Dieses Beispiel stehe für die Folgen der intensiven Landwirtschaft im Allgemeinen.

Aber es gibt doch Bio, versuche ich verzweifelt entgegenzuhalten. Nein, für Peyer gebe es Bio nicht. Für ihn gibt es nur naturnahes Bauern und naturnahes Leben. Von Labels hält er nicht viel. Dass die Bienen ums Überleben kämpfen, ist ein Zeichen für ein fundamen- tales Ungleichgewicht in Natur und Umwelt. Ein Teil davon ist der Mensch. Nicht der Profit muss das Ziel sein, sondern vernünftiges Wirtschaften mit Rücksicht auf alle. Das gilt nicht nur für die Finanz. Sondern auch für die Bauern. Und für die Imker. Und auch für die Konsumenten. Soll die Hiobs-Botschaft des Bienen-Sterbens ausser dem apokalyptischen Gruseln einen Sinn vermitteln, dann ist es die Mahnung, sich auf Bescheidenheit zu besinnen.

Ein Beitrag von Benedikt Pestalozzi aus Zürich. Er ist Stadtgärtner, Kulturwissenschaftler, Bienensympathisant und beim Stadiongarten.

Fotos: © Benedikt Pestalozzi

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