Ameisenlöwe und Zimbelkraut: Darf ich vorstellen?

AmeisenlöweWir kennen die Namen der Straßen in unserem Quartier. Wir kennen die Namen der Plätze und Bushaltestellen. Wir kennen die Cafés, Restaurants und Kleiderläden. Bekannte begrüßen wir mit einem Hallo, an den meisten Menschen gehen wir aber grußlos vorüber. Ebenso unbeachtet bleiben die Büsche in den Vorgärten, die Hecken am Straßenrand
und die Bäume im Park. Eben weil wir ihre Namen nicht kennen. Dasselbe gilt für die Enten im Teich, die Vögel im Hof oder die Käfer auf der Sitzbank. In diesem Buch werden sie uns vorgestellt. Und vielleicht bleiben uns ihre Namen im Kopf und wenn wir morgen an ihnen vorübergehen sagen wir „Hallo Graureiher“, „Grüß’ Dich Rosskastanie“ oder „Gute Nacht liebe Zwergfledermaus“.
Im Buch werden die spezifischen Lebensbedingungen der Stadt aufgelistet, die uns meist unter negativem Vorzeichen bekannt sind: Schadstoffe, Lärm, künstliches Licht und höhere Jahresdurchschnittstemperaturen. Doch Stadt ist auch Natur und diese kennt keine negativen Vorzeichen. Wir bekommen Einblicke in Lokalitäten und Mikrostrukturen einer Stadt wie Parkanlagen, Fussballrasen, Geleisefelder. Dächer, Wegränder oder Pflastersteinritzen. Vermeintlich aufs Land verbannte Kreaturen tauchen wieder auf und machen es sich hier gemütlich: Statt Hühner stibitzen Rotfüchse Küchenabfälle, genauso wie in ländlichen Hecken finden auch hier die Igel ihre Schlupfwinkel. Pionierpflanzen wie Flechten und Moose wachsen auf kargen Felsen ebenso wie in kargen Strassenschluchten. Und vermeintliche Abgase dienen einigen gar als Düngemittel.
Auf über 60 Doppelseiten werden Pflanzen und Tiere mit ansprechenden Bildern illustriert und mit witzigen Texten charakterisiert. Ohne Hierarchie stehen die Fruchtfliege neben der Ringelnatter, der Huflattich neben der Wasseramsel, das Silbermoos neben der Wegwarte und der Mensch neben dem Distelfink. Beat Fischer, Betreiber des „Büros für angewandte Biologie“ in Bern, verfasste in den Jahren 2005 bis 2009 monatlich Kolumnen unter dem Titel „Fischers Naturkabinett“ für die Berner Tageszeitung „Der Bund“. In diesem Buch sind sie versammelt und mit Bildern von Karin Widmer illustriert.
Ein schönes Album für scheinbar unscheinbare Nachbarn und für die ländlichen Seiten der Stadt.
Rezensiert von Benedikt Pestalozzi

Ameisenlöwe & Zimbelkraut.
Tier- und Pflanzenporträts aus der Stadt.
Beat Fischer, Karin Widmer
Haupt Verlag, Bern, 2011
ISBN 978-3-258-07646-1

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