„ …so bucklig wie die Welt, in der wir leben.“

ueberland.bucklige.welt_Martin Preineder ist Biobauer, Politiker und Drahtzieher nachhaltiger Initiativen. Seit Kindesbeinen an lebt er in der Buckligen Welt (Niederösterreich), kennt ihre positiven Seiten und weiß auch um die Buckel seiner Heimat Bescheid. Dort, wo früher der französische Adel ein- und ausging, ist seit 1996 die Heimat des Martin Preineder und seiner Familie. Er hat die Nebengebäude des Schlosses Frohsdorf (Exilsitz des letzten Königs von Frankreich Heinrich V) erworben. „Eine Lebensaufgabe“ Hof.Innenansichtbeschreibt er die Renovierung der rund 3000 M2 verbauten Fläche. Zunächst war es wichtig, eine passende Nutzung zu finden: Neben Wohnungen entstanden Gemeinschafts-praxis, Pferdestal-lungen samt Reithalle und ein Feuerwehrmuseum. „Diese Multifunktionalität ist auf unsere Professionen zugeschnitten“. Preineders Frau, ausgebildete Physiotherapeutin, gründete die Praxis, die heute aus sechs InnenraumFachärzten, fünf Thera- peutinnen und zwei Traine-rinnen besteht. Daneben gibt’s Yoga- und Pilateskurse, die sich großer Beliebtheit erfreuen.

Der großzügige Reiterstall beherbergt 18 Pferde und bietet Tieren und Reitern eine angenehme Atmosphäre. Mit dem Bau einer neuen Reithalle (20 x 40 Meter) mussten auch so manche Auflagen des unter Denkmalschutz gestellten Hofes eingehalten werden, erinnert sich Preineder. Der vielseitige Landwirt absolvierte eine Pferdewirtausbildung, was für ihn gar nicht so einfach war, hatte er doch bis dato nichts mit Pferden zu tun.

Biobauer Martin PreinederEinziger Biobauer der Gemeinde

Kartoffel, Kleegras (für die Pferde), Mais, Weizen und Soja sind die Hauptprodukte seines seit 1996 auf Biolandwirtschaft umgestellten Betriebes. Anfangs erntete er von den anderen skeptische Blicke und Aussagen wie „das wird nicht gehen“. Preineders Rechnung ging doch auf: „Der Markt und das Preisniveau auf dem Biosegment sind anders und ein kleiner Betrieb kann wieder funktionieren“.

Direkt vermarktet werden die Kartoffel: Da gibt es im Elternhaus, das sich in unmittelbarer Nähe befindet, einen Verkaufsraum mit Selbstbedienung. Die Kunden kommen rein, tragen sich auf einer Liste ein und werfen das Geld in ein Körberl. „Das funktioniert sehr gut“, sagt er. Der Rest der Kartoffel wird über Lieferservice zugestellt.

schloss.frohsdorfSeit 12 Jahren gibt es die Kampagne „Sooo gut schmeckt die Bucklige Welt“, deren Sprecher Preineder ist. Neben der Vermarktung regionaler Spezialitäten geht es um die Öffnung dieser Region für Naherholungs-suchende. „Unsere abwechslungsreiche Landschaft lässt sich gut mit dem Rad oder während einer Wande- rung erkunden, dann geht’s zu einer Einkehr zum Mostheurigen und am Abend steht ein Besuch in einem schönen Haubenlokal an“, beschreibt Preineder die Bucklige Welt als Tagesziel oder für einen Kurzurlaub. Als Teil der Kampagne wurde die alte Tradition der Schnidahahnroas wiederbelebt.

An regionalen Köstlichkeiten fehlt es dieser Gegend freilich nicht: Most, Cider, Apfelsekt, Ziegenkäse, Nudeln oder Mehlspeisen verschönern kulinarisch das Land der 1000 Hügel. „Auch Bäcker und Fleischer sind bei uns mit an Bord“, eine wichtige Entwicklung, denn gerade im Gewerbebereich werfen in den ländlichen Regionen viele das Handtuch.

feuerwehrmuseum.schildIMG_7447Martin Preineder ist seit vielen Jahren aktiv als Bundes- und Landespolitiker der ÖVP tätig und hat einen Schwerpunkt auf ländliche Entwicklung gelenkt. Die Entwicklung der Buckligen Welt „ist so bucklig wie die Welt, in der wir leben“ und weist auf die zunehmende Landflucht der 1950er und 60er Jahre hin. Eine gewaltige Abwanderungs- welle begann, Höfe wurden verlassen und auch innerhalb der Landwirtschaft blieb nichts mehr beim Alten. Doch seit zehn Jahren gibt es wieder eine Rückbesinnung: Regionalität, ländlicher Erholungsraum und kleinteilige Produktion werden wieder wertgeschätzt. „Wer allerdings nur Romantik sucht, wird sie auf dem Land nicht finden“.

 

In der Landwirtschaft gibt’s keine Romantik

Warum es in der Landwirtschaft keine Romantik gibt, wie die Zukunft der Bauern aussieht und was der Konsument tun kann, damit morgen noch unsere Sehnsucht nach Natur gestillt wird – ein Interview mit Martin Preineder.

maschinenAlso kein Schwein- derl auf der grünen Wiese, das mit seinem Bauern spricht?

Marin Preineder: Die Werbung macht natürlich Gusto auf ein Produkt. Jeder weiß, dass die Werbung nicht real ist. Nur bei der Landwirtschaft will es der Zuseher glauben, dass der Bauer mit seinem Schweinderl spricht und es streichelt. Die Landwirtschaft, die produziert, ist nicht romantisch. Trotzdem haben wir in Österreich eine gesunde, ökologische Landwirtschaft, die nichts mit einer Agrarindustrie zu tun hat.

Vor kurzem erst gab es in der Steiermark Diskussionen um einen geplanten Neubau eines Schweinestalls für 60.000 Mastschweine. Das ist doch eine Agrarindustrie.

Marin Preineder: Ja, das ist zuviel. Aber wenn Ställe für 2000 Sauen verhindert werden, dann geht das zuweit. Wichtig ist doch, dass tiergerecht und ökologisch produziert wird, die Fläche nicht darunter leidet und das Tierfutter regional ist.

Wenn viele Tiere auf einer gemeinsamen Fläche zusammen sind, ist dann nicht das Risiko auf Krankheiten automatischer größer?

Biobauer Martin PreinederMarin Preineder: Ich wollte mal Kaninchen züchten. Eine Marktlücke. Aber Kaninchen leben in kleinen Rudeln. Und wenn sie in eine Produktion eingespannt werden, dann kommen Krankheiten vor; das geht dann nicht. Bei anderen Herdentieren wie bei Kühen z. B. ist das anders. Ein Huhn fühlt sich nur im Verband wohl. Die Frage ist, was geht in großen Einheiten, was nicht. Glauben Sie, dass fünf Kühe in einem kleinen Stall angebunden besser leben als 150 Kühe in einem Laufstall, die sich bewegen können? Und die Kühe auch noch gut ernährt sind, weil die Fütterung computergesteuert funktioniert – das ist eine logische Weiterentwicklung.

Wohin entwickelt sich denn die Landwirtschaft?

Marin Preineder: Es wird Produktionsbetriebe geben, die auf Low Cost setzen, um am internationalen Markt zu bestehen. Das ist für österreichische Betriebe nicht einfach. Da geht es um kostengünstigste Produktion. Das billigste Schweinefleisch wird nicht das von Tieren sein, die am artgerechtesten gehalten wurden. Da gibt es den Sektor, der die breite Bevölkerung ernährt. Dann gibt es den Sektor, der gesund essen will, wo die Menschen wissen wollen, woher die Produkte kommen.

Was ist das größte Problem der Landwirtschaft?

Marin Preineder: Ob es uns Landwirten in Zukunft gelingen wird, den Schulterschluss mit Konsumenten zu halten. Der Konsument entscheidet jeden Tag, ob er die Milch aus Neuseeland kauft oder die aus Österreich. Er entscheidet ob Apfelsaft aus der Region oder ob Coca Cola. Und wenn er regionale Produkte einkauft, dann unterstützt er auch eine lebendige Landschaft und schützt die Natur.

Ihr Wunsch an die Landwirte?

Marin Preineder: Wir müssen wieder eine Arbeitsaufteilung hinbekommen. Es wird nicht funktionieren, dass jeder Bauer alles macht, von der Produktion bis zur Vermarktung. Wir müssen uns gemeinsam mit anderen auf eigene Arbeitsbereiche konzentrieren.

Ihr Wunsch an die Konsumenten?

Marin Preineder: Mehr Mitdenken beim Einkaufen und eine bewusste Kaufentscheidung fällen. Klar, wir werden mit regionalen Produkten nicht alles abdecken können, aber vieles.

Danke für das Gespräch.

 

Foto (1): Wiener Alpen, © Franz Zwickl

Fotos (2-9): © Barbara Kanzian

 

 

 

 

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