Vom Autofahren zum Gemüseernten

In der ehemaligen DDR war der Besitz eines eigenen Fahrzeuges ganz was Besonderes. Viele Bürger meldeten sich daher schon mit 18 Jahren auf einen der zwei möglichen Autofabrikate an: Vor dem Kauf eines Fahrzeugs der Marke Trabant oder Wartburg wurde eine Garage gebaut, denn dieses Auto musste ein Leben lang halten. Das eigene Auto war weit mehr als nur ein Transportmittel, es war ein vierrädiger Freund und hatte Kultstatus (wie im Westen übrigens auch). Und die Garagen für den Trabi nahmen in den Hinterhöfen der Wohnbauten zentrale Plätze ein und spiegelten den Stellenwert dieser Kultobjekte wieder. Sie spielten in diesen Höfen die Hauptrolle.
Als ich die Box der Urban Farmers zum ersten Mal sah, habe ich sofort an die Garagen der Trabis gedacht.

Obwohl auf ersten Blick betrachtet, haben die beiden doch gar nichts gemein. Ein bisschen rechteckig mit einem Satteldach oben drauf. Aber sonst?
Schauen wir uns doch mal die Box der UrbanFarmers genauer an: Dabei handelt es sich um den Schrebergarten der Zukunft. Stadtbauern können künftig mit dem „Schrebergarten 2.0“ ihre Vision der ökologischen Landwirtschaft umsetzen. Der modulare Bausatz setzt sich aus einem gebrauchten 20 Fuss Open Top Cargo Container sowie einem Gewächshaus mit Aquaponic Anbausystem zusammen (Anmerkung: überLand beschäftigte sich mit seinem Beitrag Gesunde Aussichten vom 4. 4. 2011 bereits mit dem Aquaponic-System). Diese Konstruktion kann mobil in der Stadt eingesetzt werden, sei es vor dem Haus oder auf einem leeren Parkplatz, in einem Hinterhof oder auf einem privaten Flachdach. Der Stadtbauer kann in diesem Schrebergarten innerhalb eines Sommers bis zu 60 kg Fisch und 200 kg Gemüse erwirtschaften. Genug also, um eine Familie mit eigenem Fisch und frischem Gemüse ernähren zu können. Gesundes Essen einfach in die Stadt gebracht.
Die Zeit der Trabis endete vor rund 20 Jahren. Das ist noch gar nicht so lange her. Doch in diesen zwei Jahrzehnten fand ein Paradigmenwechsel statt. Früher waren es die Autos, die Herzen höher schlagen ließen. Eine gesamte Stadtplanung wurde nach dem Individualverkehr ausgerichtet. Die Stadtplanung agiert heute zwar immer noch so, aber die aufkommende Stadtbauern-Bewegung hinterlässt erste Spuren. In gewissen Kreisen ist es gar nicht mehr schick, überhaupt noch mit einem Auto unterwegs zu sein, dafür ist es extrem trendig, von seinen Anbaugebieten in der Stadt zu erzählen. Es ist fast schon verpönt, sich über PS-Stärken zu unterhalten. Dafür macht der Erfahrungsbericht über das Wachsen der Eiertomaten was her. Gesundes Essen oder gesunde Lebensmittel bleiben nicht mehr dem Zufall überlassen, sie haben einen ganz zentralen Stellenwert eingenommen. Ob diese Stadtbauern-Bewegung, die grüne Rückzugsgebiete und eine nachhaltige Nahrungsmittelproduktion einfordert, die sich schlichtweg für eine menschengerechtere Stadt einsetzt, die Kraft hat, zu einer breiteren Bewegung zu werden, bleibt abzuwarten.
Dann könnte der „Schrebergarten 2.0“ tatsächlich zum würdigen Nachfolger der Trabi-Garage werden. Das Potenzial dazu hat er.

Mehr dazu: Die Präsentation des Schrebergarten 2.0 findet vom 25. 6. bis 3. 7. Im General Guisan Quai in Zürich statt. www.urbanfarmers.ch

Photo 1: Greifswald damals und heute, Frank-2.0
Photo 2: Die Urban FarmersBox

Ein Gedanke zu „Vom Autofahren zum Gemüseernten

  • 10. Januar 2014 um 22:46 Uhr
    Permalink

    Hallo

    Es tönt unkonventionell, doch ich möchte eine Plumeriazucht beginnen, hab auch schon angefangen.
    Dazu brauche ich ein Gewächshaus/Treibhaus und Platz.

    Wie soll man vorgehen, wer kann hefen?

    Freundliche Grüsse

    Chris

    Antwort

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