Dekogetreide: Stroh im Kopf

Dekogetreide auf der WieseNachdem Familie Künzi den kleinen Bauernhof in Maschwanden (Kanton Zürich) übernommen hatte, suchte sie nach einer zusätzlichen Verdienstmöglichkeit. Sie begann sich auf den Anbau von Getreide zu spezialisieren. Was sie daraus herstellt, lesen Sie in der folgenden Geschichte.Sie fertigen aus Getreide kunstvolle Dekorationen. Wie sind Sie auf diese Idee gekommen?

Claudia Künzi-Schnyder: 1984 besuchte ich einen ersten Kurs „Ährenflechten“ und dort hat mich das Strohfieber gepackt und bis heute nicht mehr losgelassen. Mein Mann und ich hatten kurz vorher den kleinen Bauernhof übernommen und suchten eine zusätzliche Verdienstmöglichkeit. Die Kursleiterin erwähnte so nebenbei, dass es schwierig sei, das speziell angebaute und im richtigen Zeitpunkt geerntete Getreide fürs Strohflechten zu finden. So entstand die Idee, für die Kursleiterin solch spezielles Getreide anzubauen. Zuerst war mein Mann gar nicht begeistert. Nachdem wir uns das Ganze überlegt hatten, starteten wir 1985 mit dem Anbau. Diesen haben wir in all den Jahren weiter ausgebaut, die Anbautechnik optimiert und zusätzliche Sorten ins Sortiment aufgenommen.

Eignet sich jedes Getreide zum Flechten?

Claudia Künzi-Schnyder: Ja, es kommt nur darauf an, wofür man es verwendet. Zum Strohflechten braucht es lange und schöne Halme, die im richtigen Zeitpunkt geerntet wurden, damit sie elastisch sind. Hafer und Gerste ist grundsätzlich zu weich fürs Flechten, aber in Ordnung für Dekos. Dann gibt es Sorten, die besonders dekorativ aussehen wie der Schwarzbartweizen mit seinen schwarzen Grannen. Da fragen die Leute jeweils, ob das angemalt oder natur sei. Für Kränze verwende ich grünes Getreide. Dort sind die Körner noch nicht ausgebildet und schmiegen sich so besser an den Kranz.

Welche Dekorationen bieten Sie an und aus welchem Material?

Claudia Künzi-Schnyder: In unseren Dekorationen ist das Schwergewicht immer Getreide in allen möglichen Variationen und Farbnuancen. Da wir über 15 verschiedene Sorten Getreide anpflanzen, bietet uns die Natur eine große Vielfalt. Die Ideen gehen mir nicht aus – nur manchmal fehlt mir ein wenig die Zeit, um alles umzusetzen.

Kann ich mit einem Entwurf zu Ihnen kommen und Sie fertigen mir das an?

Claudia Künzi-Schnyder: Ja, das können Sie schon. Es hängt einfach von der Machbarkeit ab. Leute sehen z. B. ein Geflecht und wünschen dann, dass ich das mit einer andern Sorte anfertige oder eine andere Größe wähle. Spezialanfertigungen haben wir auch schon gemacht für eine Hochzeitsdekoration alles mit Getreide in der Kirche. Ein anderes Beispiel war die Lieferung von Stroh-Trinkhalmen mit Speziallänge und Durchmesser des Trinkhalmes für Hotel-Resorts auf den Malediven. Dies war eine spezielle Herausforderung, weil noch Logistik, Verpackung und Lebensmitteltauglichkeit dazukamen. Jeder Trinkhalm wurde von Hand zugeschnitten und ging durch mehrere Hände. Einmal bestellte ein Kunde eine speziell schöne Auslese an Ähren, die er echt vergolden ließ und edel verpackt an seine Kunden verschenkte.

Neben diesen Spezialanfertigungen begeistert die große Strohlady ebenso wie der überdimensionale Julbock. Einziger Haken: Nass dürfen sie nicht werden.

Claudia Künzi-Schnyder: Genau, weil sie sonst grau werden. Die großen Skulpturen sind Publikumsmagnete für Ausstellungen oder Events. Der Julbock z. B. war der Liebling bei den Kindern. Sie durften sogar darauf reiten.

Wie machen Sie Ihre Arbeiten bekannt?

Claudia Künzi-Schnyder: Wir haben seit einigen Jahren ein Strohlädeli, das wir immer wieder anpassen. Zusätzlich befindet sich im alten Kuhstall eine Ausstellung mit größeren Objekten. Andererseits finden uns die Leute übers Internet www.getreidedeko.ch . Wir sind schweizweit die einzigen Anbieter von Dekogetreide und auch Kunden aus Deutschland sagen uns, dass sie in Deutschland nichts Vergleichbares gefunden haben. Durch unsere langjährige Marktpräsenz sind wir auch bei Dekorateuren, Messebauern usw. bekannt und unsere Adresse wird weitergereicht. Zudem befinden wir uns an einem attraktiven Wanderweg und so „verirren“ sich immer wieder Wanderer in unser Strohlädeli und nehmen eine Visitenkarte mit. Nicht selten kommt es vor, dass sie sich dann per Telefon melden, um ein Geschenk zu bestellen.

Sie bieten auch Kurse an, welche Eigenschaften muss man mitbringen, um gute Getreidedekos machen zu können?

Claudia Künzi-Schnyder: Strohflechten können alle lernen, die nicht zwei linke Hände haben. Es braucht einen Grundkurs und nachher kann man schon ganz beachtliche Geflechte gestalten. Oft sind die Kursteilnehmerinnen von der Vielfalt überrascht und entzückt. Ich muss dann fast ein wenig bremsen und sagen: Heute flechten wir das und das andere machen wir am nächsten Kurs.

Sie wollten mit dem Flechten einen Zuverdienst schaffen. Ist die Rechnung aufgegangen?

Claudia Künzi-Schnyder: Wir konnten uns einen Nischenbetriebszweig aufbauen. Anfangs dachten wir, das Ganze sei eine Modeerscheinung, die nach einigen Jahren vorbei sein könnte. Wir sind selber erstaunt, wie sich das Interesse fürs Getreide hält. Getreide ist eben Natur pur und zeitlos. Es spricht die Leute an und ist Sinnbild fürs Wachsen und Werden. Zudem riecht Getreide auch ganz gut. Das bestätigen unsere Kunden, wenn sie in unserem Getreidelager eine Nase voll nehmen.

Bedeutet der Anbau der zahlreichen Getreidesorten für das Dekogetreide einen vermehrten Arbeitsaufwand?

Claudia Künzi-Schnyder: Der Anbau und besonders die Ernte sind mit viel Handarbeit verbunden und extrem witterungsabhängig. Da unser Getreide mit den alten langhalmigen Sorten sehr hoch wächst, besteht die Gefahr, dass es bei einem Gewitter mit Wind umfallen kann. Dann ist es für die Dekos unbrauchbar, weil es nicht mehr abtrocknen kann und so von Pilzen befallen wird. In der Erntezeit benötigen wir mindestens drei Tage sonniges, heißes Wetter, um die Garben an der Sonne zu trocknen. Ist der Erntezeitpunkt da, das Wetter macht aber nicht mit, kann das ebenfalls schaden. Wir vermehren die Sorten selber, weil das meiste Saatgut nicht im Handel erhältlich ist und schneiden das Getreide mit der Sichel wie vor 150 Jahren oder mit einem Bindenmäher wie vor 80 Jahren. Anschließend legen wir die Garben zum Trocknen an die Sonne. Jeden Tag werden sie einmal von Hand gewendet. Am dritten Tag binden wir sie von Hand und laden sie auf den Wagen. Zu Hause wird jede Garbe kopfüber an einer Stange aufgehängt. Bei jeder Verrichtung ist äußerste Sorgfalt geboten. Geknickte Halme sind wertlos. Einmal in der Scheune aufgehängt ist die Arbeit dann nicht mehr wetterabhängig. Die Verarbeitung zu Dekos oder Geflechten passiert nach Bestelleingang und zeitlichen Ressourcen. Wir sind jedes Jahr dankbar und glücklich, wenn die Getreideernte gut unter Dach ist und machen auch jeweils mit allen großen und kleinen Helfern ein Fest, das wir nach alter Tradition „Sichlete“ nennen.

Bei Ihnen ist also nicht das Salz die Würze des Lebens, sondern das Getreide.

Claudia Künzi-Schnyder: Ich kann mir unseren Betrieb ohne Dekogetreide nicht vorstellen. Sie gehören einfach dazu und es steckt so viel Herzblut und Leidenschaft fürs Stroh im Anbau und der Verarbeitung. Da wir uns das Wissen über den Anbau, die Dekogetreide und Familie KünziVerarbeitung und Vermarktung größtenteils selber aneignen mussten, kam auch unser Pioniergeist voll auf die Rechnung. Rückschläge und Missgeschicke – und deren gab es so einige – waren für uns Herausforderungen und die Würze im Alltag. Auch in Zukunft wird bei uns die ganze Palette an Getreidesorten und Dekos erhältlich sein. Unsere Söhne sagten zu uns: „Ihr habt Stroh im Kopf.“ Nicht nur im Kopf, sondern auch Stroh im Herzen!

Danke für das Interview.

Ruedi und Claudia Künzi: Getreidedeko Künzi, Steinbüllenstrasse 25, CH – 8933 Maschwanden, Kanton Zürich

Ein Gedanke zu „Dekogetreide: Stroh im Kopf

  • 21. August 2012 um 09:52 Uhr
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    Ich finde das Stroh-Flechten eine prima Idee!

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