Welt-Landfrauentag: Lebensmittel als Spiegel der Macht

Welt-LandfrauentagAm Sonntag wird der Welternährungstag der Vereinten Nationen begangen, morgen in Österreich der Welt-Landfrauentag. Zu feiern gibt es an beiden Tagen nicht viel. Weltweit hungern über 925 Millionen Menschen. Das Millennium-Ziel, bis 2015 die Armut zu halbieren, ist verfehlt. Besonders betroffen sind Südasien und die afrikanischen Länder südlich der Sahara, wo ein Drittel der Menschen chronisch unterernährt ist.

Feminisierung der Landwirtschaft

Frauen sind besonders von Armut und Hunger betroffen. Sie nehmen zwar in den Entwicklungsländern in der landwirtschaftlichen Produktion eine ganz zentrale Rolle ein, es wird sogar von der Feminisierung der Landwirtschaft gesprochen, trotzdem haben sie kaum Zugang zu Land – ohne Landrechte haben Frauen wiederum keinen Zugang zu Krediten, um Saatgut und Betriebsmittel zu erwerben. Die „Feminisierung der Landwirtschaft“ mündet in der „Feminisierung der Armut“, so die Food and Argriculture Organization (FAO).
Anne C. Bellows, Direktorin des Kompetenzzentrums Gender und Ernährung an der Universität Hohenheim ist sich sicher, dass „Frauen bewusst von politischen Entscheidungen ausgesperrt werden“. Sie müssten mehr an der Entscheidungsfindung teilnehmen, wenn sie das tun, sind sie männlichen Machtregeln ausgesetzt, die nicht selten in Gewalt enden. Ein Kreislauf, der nur schwer zu durchbrechen ist. Frauen, deren Menschenrechte mit Füssen getreten werden, haben keine Wahlfreiheit, so Bellows. Sie werden in die Armut gedrängt.
Dazu kommt noch, dass Bäuerinnen in den Entwicklungsländern schlechter ausgebildet sind als Bauern. Hätten Bäuerinnen die gleichen Chancen wie Männer, könnten Ernteerträge um 20 bis 30 Prozent erhöht werden, was weiters bedeuten würde, dass die Zahl der Hungernden weltweit um 12 bis 17 Prozent sinken könnte (sh. auch Blogeinträge „Hunger in Afrika durch freien Markt“ und „Gleichstellung gegen Hunger“.

Kolonialisierung der Landwirtschaft

Doch selbst wenn Frauen mehr Rechte bekämen, wenn sie mehr Zugang zu Land erhalten würden, ist es in vielen Regionen eng geworden. Urwälder werden weiter zerstört, um den Anbau von Pflanzen für Biotreibstoffe oder für Futtermittel zu ermöglichen. In Argentinien wird allein die Hälfte des gesamten fruchtbaren Bodens für die Produktion von Soja als Futtermittel verwendet. Ein weiteres Beispiel einer „Kolonialisierung der Landwirtschaft“ findet in Mexiko statt: Seit das Land zur nordamerikanischen Freihandelszone erklärt wurde darf Mais, u. a. GVO-Mais, importiert werden. Durch diese Importe werden abertausenden mexikanischen Kleinbauern die Grundlage für ihren landwirtschaftlichen Betrieb entzogen. Sie werden in Armut und Hunger gedrängt. Es war eine „Öffnung für das Kapital“, fasst Alberto Acosta, Ökonom und ehemaliger Minister für Energie und Bergbau in Ecuador zusammen. „Unsere Bananen dürfen im Vergleich nicht so einfach auf den internationalen Markt“. „Lebensmittel sind heute zu einem Teil eines perversen Spekulationssystems geworden“, bringt es Acosta auf den Punkt.

Weg von der Markt-Religiosität

Das Erschreckende ist , dass jeder von uns (bewusst oder unbewusst) an dieser Entwicklung verantwortlich ist. Unter dem Motto „Lassen Sie Ihr Geld arbeiten“ beteiligen sich Hunderttausende an der Rohstoffspekulation. Sei es über Pensionsfonds, wo das Geld auf diese Weise angelegt wird, ohne dass wir das oft wissen, so der Ökonom Stephan Schulmeister. Auf der anderen Seite lernen Menschen bewusst „die Kunst des Trading“, um mehr aus ihrem Geld zu machen und investieren dabei in die von Banken beworbenen Rohstoff-Features. Damit sind aber Lebensmittel wie Weizen oder Reis gemeint, die dann für jene, die sie als tägliches Nahrungsmittel dringend benötigen, unerschwinglich teuer werden. „Wir müssen weg von der Markt-Religiosität“, fordert Schulmeister.
Statt Freiheit für das Kapital setzt sich Alberto Acosta für die Freiheit des Menschen ein. Der Mensch muss wieder in den Mittelpunkt rücken. Das bedarf aber einer Änderung der Verantwortlichen, auch die Eliten müssten geändert werden.
Nur die Zivilgesellschaft kann einen solchen Wandel herbeiführen und dadurch auch eine notwendige Kursänderung in der Landwirtschaft erreichen mit dem Ziel, Lebensmittel in Zukunft gerecht zu verteilen.

Die in diesem Beitrag zitierten Anne C. Bellows, Alberto Acosta und Stephan Schulmeister nahmen u. a. an der Veranstaltung „Who feeds the World“ am 12. Oktober 2011 in Wien teil. Organisiert wurde sie vom Ökosozialen Forum in Kooperation mit dem Lebensministerium, FIAN (FoodFirst Information and Action Network) und der Österreichischen Entwicklungszusammenarbeit.

Photo: Grossmann/dwhh

über_Land

Der Blog über_Land beschäftigt sich mit innovativer Landwirtschaft in der Stadt und auf dem Land. Themen wie Urban Farming, Vertical Farming, Aquaponic stehen genauso im Vordergrund. Der Blog geht aber auch der Frage nach, wie Gemeinden für ihre Bewohnerinnen und Bewohner neue, qualitätsvolle Konzepte entwickeln, wo Wohnen, Leben und Arbeiten möglich wird. Der Blog ist seit 2011 online. Gründerin und Herausgeberin ist Barbara Kanzian. Erfahren Sie mehr über sie auf ihrer Unternehmens-Website.

Ein Gedanke zu „Welt-Landfrauentag: Lebensmittel als Spiegel der Macht

  • 14. Oktober 2011 um 08:52 Uhr
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    Liebe Barbara, das gefällt mir ist für Dich weil du auf das Thema aufmerksam machst, nicht für die traurige Tatsache dass es noch soviel Hunger in der Welt gibt.

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